Eine Rezension
Hans Jakob Bürger
Dionysius Carthusianus
Messerklärung (Expositio Missae)
Dialog über das Altarsakrament (De sacramento altaris et de celebratione Missae dialogus)
Eingeleitet, übersetzt und erläutert von
Claudia Barthold
Carthusianus-Verlag, Mülheim/Mosel 2011
312 Seiten
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Die Kartäuser haben stets ihre eigene jahrhundertealte liturgische Tradition bewahrt. Die Kartäuserliturgie unterscheidet sich, wie manch andere Eigenliturgie, etwa jene der Dominikaner, von der römischen. Ihre Daseinsberechtigung wurde von römischer Seite jedoch nie bestritten. Erst im Zuge der liturgischen Reformen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurden auch diese Riten Änderungen unterzogen – häufig gegen den Willen der jeweiligen Orden. Auch die Kartäuser wehrten sich lange gegen die Versuche der römischen Interventionen. Schließlich mußten sie aber doch weitreichende Anpassungen an den Novus Ordo und die anderen liturgischen Bücher und ihre Praxis vornehmen. Zwar gelang es den Kartäusern, weitreichende Aspekte ihrer eigenen liturgischen Tradition zu bewahren. Dennoch konnte ein Kartäusermönch schreiben: „In unserer Messe würdest Du kaum noch eine Spur von dem alten Kartäuserritus, umso mehr aber die Aggiornamentofuria des Padre Bugnini finden“ (Hansjakob Becker, 25 Jahre Liturgiereform in der Kartause). Umso wichtiger ist es heute, die Tradition und die Frömmigkeit, die aus der alten Liturgie erwachsen sind, zu erkennen und mitzunehmen in die heutige Zeit, in das eigene geistliche Leben und in das liturgische Leben der Kirche.
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Es werden auch der Kartäuserorden beleuchtet sowie die religiösen Bewegungen seiner Zeit angesprochen. Der Leser erfährt Wesentliches zum Gesamtwerk des Dionysius, der weit über die Klostermauern hinaus Bedeutung erlangte.
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Die ersten Adressaten der beiden Werke des Dionysius sind die Priester. Dabei geht es ihm um die innere Verbindung und den eigentlichen Zugang zum Sakrament und besonders zur Meßliturgie. Für ihn ist es wichtig, sowohl einen verstandesmäßigen als auch einen affektiven Zugang dazu herzustellen. In beiden Traktaten – Meßerklärung und Dialog – sind die Priester angesprochen. In den ersten fünf Artikeln der Expositio schreibt er nur über sie. So nennt er etwa vier Punkte, die der Priester vor der Zelebration beachten muß: Der Priester ist ein unvollkommenes, machtloses Geschöpf, das sich und seine Fehler erkennen muß, damit sie der Herr korrigiere; er muß bedenken, wem er opfert, nämlich dem lebendigen und wahren Gott; er muß darauf achthaben, was er opfert; schließlich muß er „erwägen, weshalb er diese Opfergabe darbringt“.
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Über den Kommunionempfang heißt es: Der Priester „soll sie mit großem Affekt und in höchster Ehrfurcht zu sich nehmen, nicht in Hast, sondern in innigster Besinnung auf die Wohltaten Christi, nämlich die Inkarnation, die Passion, seine Liebe zu uns … Auch soll er Christus voll Vertrauen ansprechen und ihn innig um die Dinge bitten, die er dringend von ihm zu erhalten wünscht, sowohl für sich selbst als auch für die ihm besonders teuren Menschen, indem er Christus anfleht, dass er ihn vollständig umwandeln und standhaft machen und immer in ihm festigen möge“. Es soll damit deutlich werden, daß rationale Erkenntnis zur affektiven Anteilnahme am Leib Christi führen soll. Somit wird aus dem inneren Mitvollzug der heiligen Handlung im Sakrament die notwendige Verbindung zwischen der Liturgie und dem alltäglichen christlichen Leben deutlich.
Im zweiten Text des Buches, dem „Dialog über das Altarsakrament“, wird nach allegorischer Methode ein Gespräch über die Eucharistie geführt zwischen der „Veritas“, nämlich Christus selbst, und dem „Sacerdos“, einem Priester. Christus unterweist den Priester. Dionysius wendet sich im „Dialogus“ aber auch an andere Kleriker, die Gläubigen, Chorsänger und Ministranten. Es wird zunächst ganz formal über die reiche Sprache, die Gesten und Verhaltensweisen bei der Messe gesprochen (sakramentaltheologische Thematik), wie etwa über die verschiedenen Bezeichnungen des Altarsakramentes: Eucharistie, Gedenkzeichen, Wegzehrung, Kommunion. Klar und deutlich werden die unverzichtbaren Aufgaben des Priesters. Die überlieferte Liturgie ist „eine im Ganzen streng regulierte, öffentlich vollzogene Form des religiösen Kultes“. Dabei legt Dionysius Wert auf „den inneren Mitvollzug dieses vorgegebenen liturgischen Geschehens, also auf die individuelle Aneignung der Glaubensgeheimnisse“. Diese möchte er fördern. Zwar geschieht dies mit Hilfe rationaler Erkenntnis, der Verstand wird immer mit einbezogen und übernimmt sogar die Leitfunktion. Doch es geht ihm auch um die Erbauung des Lesers; es sollen keine scholastischen Probleme behandelt werden, sondern „das, was die religiöse Hingabe betrifft“.
Bereits im Vorspann des Dialoges schreibt Dionysius, daß das Pauluswort (1 Kor 11,28) „Es prüfe sich der Mensch“ nichts anderes bedeute, „als sein Gewissen wachsam zu erforschen, zu reinigen und das Gemach des Herzens zu bereiten, zu schmücken und mit allen Kräften würdig auszustatten, um darin den König der Herrlichkeit aufzunehmen“. Wenn der Priester bzw. der Gläubige alles beherzigt hat, so heißt es später, wird er mit Überzeugung beten können: „Zum barmherzigen Quell und freigiebigen Vater komme ich Armer und Bettler jetzt; vor der Tür Deiner unermesslichen und überaus großzügigen Freigiebigkeit werfe ich mich nieder; das Wasser der heilsamen Weisheit fordere ich, das tägliche und überwesenhafte Brot wünsche ich mit der gebührenden Demut, Hingabe und Aufrichtigkeit. Mögest Du, der Du Dich schenken willst, mir eine geeignete Vorbereitung für Deine Aufnahme verleihen. Sieh, meine Seele, zu dir kommt der Herrscher, den du suchst: freue dich und sei fröhlich, wenn du deinem Gott mit aller Demut, Wachsamkeit und Innigkeit entgegengehst.“
Erschienen in KU Mai 2015