Ein Kommentar von Dr. Heinz-Lothar Barth
Am 10. November 2016 wurde im Vatikan ein Buch vorgestellt, das ein Interview zwischen Papst Franziskus und dem progressistischen Jesuitenpater Antonio Spadaro, dem Schriftleiter der „Civiltà Cattolica“, wiedergibt.
Pater Antonio Spadaro fragt den Pontifex im Interview u.a. nach dem Bedürfnis einiger Gläubigen, zur lateinischen Sprache und der alten Form der Liturgie zurückzukehren. Die folgende Antwort wird zitiert nach Radio Vatikan (deutsch) vom 10. November 2016.
»Papst Benedikt hat eine richtige und großzügige Geste vollzogen, indem er auf eine gewisse Mentalität verschiedener Gruppen und Menschen zugegangen ist, die nostalgisch waren und sich entfernt hatten“, so Papst Franziskus über die vatikanische Annäherung an die Priesterbruderschaft St. Pius X. während des vergangenen Pontifiates. „Aber das ist eine Ausnahme. Deswegen sprechen wir ja auch von der ‚außerordentlichen’ Form des Ritus. Das ist nicht die ordentliche Form.“ Man müsse das Zweite Vatikanische Konzil und die Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium ihrem Sinn nach umsetzen. In der Vergangenheit war vor allem vom Präfekten der Liturgiekongregation, Kardinal Robert Sarah, eine ‚Reform der Reform’ vorgeschlagen worden und damit auch eine Wiedereinführung der gemeinsamen Gebetsrichtung aller Gläubigen wie vor dem Konzil. Das aufgreifend formuliert der Papst im Interview mit P. Spadaro: „Von einer Reform der Reform zu sprechen, ist ein Irrtum“.«
Papst Franziskus hat damit alle Hoffnungen zunichte gemacht, daß durch eine „Reform der Reform“ die liturgischen Verhältnisse in der katholischen Kirche sich bessern könnten, wie dies offenbar Kardinal Sarah plante. Die Anhänger der überlieferten lateinischen Messe bezeichnete er sogar als „Nostalgiker, die Gefahr liefen, sich von der Kirche zu entfernen“. Dies ist beileibe nicht das erste Mal, daß wir traditionstreuen Katholiken uns so regelrecht beschimpfen lassen müssen. Wie lange müssen wir ein solch falsches Zeugnis noch von einem Nachfolger Petri hören, der selbst in der Gefahr steht, durch seine Äußerungen und Akte „sich von der Kirche zu entfernen“?
Hier tut sich nun ganz offenkundig doch ein Bruch zu seinem Vorgänger auf, der trotz verschiedener Erklärungen auf beiden Seiten kaum noch bestritten werden kann. In seinem Motu proprio Summorum Pontifium (Art. 1) sagte Papst Benedikt XVI. Zum traditionellen Missale: „Aufgrund seines verehrungswürdigen und alten Gebrauchs soll es sich der gebotenen Ehre erfreuen.“ Dies geht weit über eine von Franziskus behauptete reine Duldung hinaus. So betonte – mit ausdrücklicher Bestätigung durch Benedikt – die Ecclesia Dei-Kommission in ihrem Dokument „Universae Ecclesiae“, daß der „Usus antiquior“ der römischen Messe, also die ältere Form, „ein wertvoller Schatz ist, den es zu bewahren gilt“ (Nr. 8 a). Daher sei es das Ziel, „sie allen Gläubigen anzubieten (eigentlich noch stärker: zu schenken, so im Lateinischen: largiri).“
Unsere Interpretation wird auch durch die warmen Worte bestätigt, die Benedikt zur überlieferten Liturgie im Vorspann zu den einzelnen Ausführungsartikeln des Motu proprio gefunden hatte. Dort sagte er nämlich: „Auf solche Weise befruchtete die heilige Liturgie nach römischem Brauch nicht nur den Glauben und die Frömmigkeit, sondern auch die Kultur vieler Völker. Es steht fraglos fest, dass die lateinische Liturgie der Kirche – mit ihren verschiedenen Formen in allen Jahrhunderten der christlichen Zeit – sehr viele Heilige im geistlichen Leben angespornt und so viele Völker in der Tugend der Gottesverehrung gestärkt und deren Frömmigkeit befruchtet hat.“
Im Begleitbrief zum Motu proprio schrieb der Pontifex an die Bischöfe: „In der Feier der Messe nach dem Missale Pauls VI. kann stärker, als bisher weithin der Fall ist, jene Sakralität erscheinen, die viele Menschen zum alten Usus hinzieht.“ Also fehlt es der modernen Liturgie offenbar zumindest partiell an Sakralität, an Heiligkeit! Und was die Zukunft der Messe angeht, erkannte Benedikt einen entscheidenden Aspekt: „Hatte man unmittelbar nach dem Ende des II. Vaticanums annehmen können, das Verlangen nach dem Usus von 1962 beschränke sich auf die ältere Generation, die damit aufgewachsen war, so hat sich inzwischen gezeigt, daß junge Menschen diese liturgische Form entdecken, sich von ihr angezogen fühlen und hier eine ihnen besonders gemäße Form der Begegnung mit dem Mysterium der heiligen Eucharistie finden.“
Um endgültig zu beweisen, daß Papst Benedikts XVI. positive Haltung gegenüber dem alten Ritus über eine nur oberflächliche Sympathie hinausgeht, sei daran erinnert, daß er als Basis für eine künftige Verbesserung der modernen Liturgie, die sog. „Reform der Reform“, die traditionelle hl. Messe heranziehen wollte. Ich erlaube mir, aus jenem Brief zu zitieren, den er mir als Präfekt der Glaubenskongregation am 23. Juni 2003 auf meine Bitte hin, sich für die offizielle Wiederzulassung des überlieferten Ritus einzusetzen, geschickt hatte und der ja mittlerweile ohne mein Zutun überall im Internet kursiert: „Der Römische Ritus der Zukunft sollte ein einziger Ritus sein, auf Latein oder in der Landessprache gefeiert, aber vollständig in der Tradition des überlieferten Ritus stehend; er könnte einige neue Elemente aufnehmen, die sich bewährt haben, wie neue Feste, einige neue Präfationen in der Messe, eine erweiterte Leseordnung – mehr Auswahl als früher, aber nicht zu viel – eine ‚Oratio fidelium’, d.h. eine festgelegte Fürbitt-Litanei nach dem Oremus vor der Opferung, wo sie früher ihren Platz hatte.“ Man sieht also, wie eng nach der Vorstellung des emeritierten Papstes eine später einmal allgemein verbindliche Liturgie an den sog. Tridentinischen Ritus hätte angelehnt sein sollen!…