Hl. Franz von Sales
Wer richtig über das Fegefeuer nachdenkt, empfidet mehr Trost als Furcht. Die meisten Menschen fürchten das Fegfeuer nur deshalb, weil sie nur sich selbst und nicht die Ehre Gottes vor Augen haben. Auch wenn die Leiden im Reinigungsort groß sind und irdische Qualen damit nicht verglichen werden können, so sind die inneren Freuden der Armen Seelen so groß, daß keine Glückseligkeit auf Erden damit verglichen werden kann. Denn:
- Arme Seelen sind in ständiger Vereinigung mit Gott.
- Sie haben sich ganz dem Willen Gottes anheimgegeben. Sie wollen nur, was Gott will. Auch wenn die Pforten des Himmels offen stünden, würden sie es niemals wagen, vor Gott zu erscheinen, solange sie nicht vom allerletzten Makel befreit sind.
- Sie unterwerfen sich freiwillig und voller Liebe der Reinigung, um nur Gott zu gefallen und im Wissen darum, daß dies die einzige Möglichkeit ist, um in die himmlische Herrlichkeit eingehen zu können.
- Sie wollen so lange im Fegfeuer verharren, wie Gott es wünscht.
- Sie können nicht mehr sündigen, aber sie können auch keine Verdienste mehr gewinnen. Sie kennen weder Ungeduld noch Schwächen.
- Sie lieben Gott über alles als das höchste Gut, in absolut reiner, uneigennütziger Liebe.
- Sie werden im Fegfeuer von den Engeln getröstet.
- Sie sind ihres Heils und ihrer Hoffnung gewiß.
- So schmerzlich ihr Los auch ist, sie sind in tiefstem Frieden.
- Auch wenn das Fegefeuer, was die Schmerzen betrifft, mit der Hölle verglichen werden kann, so ist es doch auch ein Paradies, weil die Armen Seelen die Liebe Gottes immer stärker spüren dürfen.
- Aus all diesen Gründen soll man das Fegefeuer mehr herbeisehnen als fürchten. Das Feuer im Reinigungsort reinigt die Seele und entflammt sie zu heiliger Gottesliebe.
- Wenn sich dies alles so verhält, warum werden dann die Armen Seelen so sehr unserem Gebet empfohlen? Weil die Armen Seelen trotz aller Vorzüge echte Not leiden und Gott will, daß wir ihnen Barmherzigkeit erweisen, gemäß dem Rat Jesu in der Bergpredigt: „Selig die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.“
Erschienen in KU Nov 2016